Eine Begegnung mit Thorvaldsen im Potsdamer Schlosspark
Heute haben wir spontan einen Sonntagsspaziergang nach Potsdam unternommen, einfach einmal auslüften und die Beine vertreten. Dafür bietet sich der Potsdamer Schlosspark gut an: Weitläufig, gut zu erreichen und wunderwunderschön…..
Hier kann man so viel Schönes entdecken, man muss gar nicht dorthin gehen, wo die Massen sind, nämlich direkt am Schloss Sanssouci. Einfach sich auf den verschlungenen Wegen treiben lassen, da kann sich das Auge gar nicht satt sehen:
Da kommt man am Chinesischen Haus vorbei…
… und an den Römischen Bädern.
Und dann standen wir plötzlich vor der evangelischen Friedenskirche in ihrer prachtvollen Erscheinung. Von weitem sieht sie nicht wie eine „klassische“ Kirche aus, man wähnt sich eher in der fernen Toskana.
Und als wir um die Ecke bogen und in den Hof eintraten, waren wir sehr überrascht!
Großartiger dänischer Kunst kann man nicht nur in ihrem Herkunftsland und insbesondere dessen Kulturzentrum Kopenhagen begegnen, sondern zum Beispiel auch auf einem Sonntagsspaziergang in Potsdam.
Wie das? Nun, das liegt an dem dänischen Bildhauer Bertel Thorvaldsen (1770-1844), einem der bedeutendsten Bildhauer des Klassizismus, und seiner Wirkung auf seine Zeitgenossen auch in Preußen.
Einige Hintergrundinformationen über einen dänischen Künstler von einstigem Weltruhm: Bertel Thorvaldsen. Der aus Kopenhagen stammende Künstler kam schon als Kind zur Ausbildung an die Königliche Kunstakademie seiner Heimatstadt und ging nach gewonnenen Preisen für erste Skulpturen mit einem Reisestipendium als junger Mann über Malta und Neapel nach Rom, wo er sodann über 40 Jahre sein Atelier hatte. Sein sich schnell einstellender und sich in ganz Europa verbreitender Ruhm als genialer Bildhauer gründete vor allem auf marmornen Porträts und großangelegten Denkmälern sowie Darstellungen der antiken Sagenwelt. Thorvaldsen erhielt Aufträge von überallher aus Europa, und so sind seine Skulpturen über den ganzen Kontinent verteilt. Einige seiner Werke wurden im 19. Jahrhundert extrem populär, so dass Kopien bald weit verbreitet waren: so wurden beispielweise die Reliefs mit den Allegorien der Jahreszeiten sowie von Nacht und Tag in Porzellan – nicht nur von den dänischen Manufakturen Bing & Grøndahl und Den Kongelige Porcelainsfabrik – oder in Steinzeug – etwa von den Bornholmer Keramikherstellern Lauritz Hjorth oder Michael Andersen aus Rønne – zu Tausenden reproduziert und gingen in alle Welt.
Hjorth auf Bornholm
Erst 1841 kehrte Thorvaldsen nach Arbeiten für und in ganz Europa von seiner Hauptwirkungsstätte Rom nach Kopenhagen zurück. Seine Werke und Sammlungen beabsichtigte er, seiner Vaterstadt zu hinterlassen. Nach dem Tod des Künstlers 1844 wurde für seinen umfangreichen Nachlass inmitten der Stadt ein Museum errichtet, in dessen Hof er bestattet wurde. „Thorvaldsens Museum“ galt lange Zeit für kulturinteressierte Besucher Kopenhagens als die größte künstlerische Attraktion in der dänischen Hauptstadt. Kunstbeflissene Touristen verschickten aus Dänemark Postkarten mit Abbildungen von Thorvaldsens Skulpturen oder nahmen Nachbildungen oder Fotografien seiner Werke als Souvenirs bei der Rückreise mit in ihre Heimat.
Mit dem Wandel von Kunstanschauung und Geschmack rückten der Künstler und sein Werk im 20. Jahrhundert etwas aus dem Blick. Seine großartigen Skulpturen wie die monumentale Christusstatue aus dem Kopenhagener Dom (Vor Frue Kirke) – durch die mediale Berichterstattung über die Hochzeit des aktuellen dänischen Kronprinzenpaares 2004 weltweit im Bild verbreitet – , gehören aber weiter zu den bedeutendsten dänischen Kunstwerken.
Der Besuch von „Thorvaldsens Museum“ ist auch heute noch jeden Kopenhagenbesucher sehr zu empfehlen.
Natürlich war Thorvaldsens Ruhm auch nach Preußen gedrungen, wo auf Wunsch König Friedrich Wilhelms IV. kurz nach Thorvaldsens Tod 1845-48 in Potsdam am Rande des Parks von Schloss Sanssouci die Friedenskirche in einem nachempfundenen frühchristlich-spätantiken Stil entstand.
Für die Ausschmückung des dem Portal der Kirche vorgelagerten Innenhofs und des angrenzenden Kreuzgangs griff man dabei auch auf Entwürfe von Thorvaldsen zurück, die den dänemarkaffinen Spaziergänger heute gedanklich nach Kopenhagen versetzen.
Der Innenhof wird ganz von der galvanoplastischen Reproduktion des überlebensgroßen segnenden Christus aus der Kopenhagener Frauenkirche beherrscht, von der sich auch eine Fassung in „Thorvaldsens Museum“ findet.
Im angrenzenden Kreuzgang lassen sich Reliefs nach Thorvaldsen mit Darstellungen etwa von Jesu Taufe oder Christus und den Kindern finden.
Wo also einst ein preußischer König sich aus Sehnsucht nach südlicher Schönheit eine italienische Kirche und Kulisse erbauen ließ, weht heute durch das Dekor nach Thorvaldsen den Freund des Nordens das Fernweh nach Dänemarks Hauptstadt und den dortigen Kunstwerken eines ihrer größten Söhne an. Der romantische König, für den die klassizistische Kunst Thorvaldsens sicher perfekt zur spätantiken Traumarchitektur seiner „italienischen“ Friedenskirche passte, hätte sich dies wohl nicht träumen lassen.
Die evangelische Friedenskirche im Schlosspark Sanssouci im Potsdam liegt im sogenannten Marlygarten gleich am Grünen Gitter. Die Adresse lautet: Am Grünen Gitter 3, 14469 Potsdam.
Der Besuch ist übrigens kostenlos!
[…] Ebenfalls gab es Nachbildungen von Werken vergleichsweise jüngerer Kunstschaffender, unter denen Kopien nach Plastiken und Reliefs von Bertel Thorvaldsen als damals besonders geschätztem dänischem Künstler in Hjorths Angebot breiten Raum einnahmen. […]