Hjorths Fabrik – Keramik von der Ostseeinsel Bornholm

Hjorths Fabrik – Keramik von der Ostseeinsel Bornholm

9. Januar 2021 0 Von uns

Hjorths Fabrik – heute “arbeitendes Museum”, früher Vorzeigebetrieb der Bornholmer Keramikindustrie

Wer vom Store Torv in Rønne, der Hauptstadt Bornholms, in die recht schmale Krystalgade abbiegt, steht bald vor dem Grundstück, auf dem auf der rechten Straßenseite Hjorths Fabrik steht.

Heute ist dies eine Außenstelle von Bornholms Museum, die als „arbeitendes Museum“ der Keramikherstellung auf Bornholm und insbesondere der früheren „Terracotta-Fabrik“ von Lauritz Hjorth und seinen Nachfahren gewidmet ist.

Keramik ist auch heute auf Bornholm noch ein wichtiges Thema. Viele Künstler und Kunsthandwerker beschäftigen sich in ihren Werkstätten mit der Herstellung moderner Keramik. Entsprechende Hinweisschilder kann man überall an Häusern oder am Straßenrand finden.

Bild: Jans Keramik

Im 19. und 20. Jahrhundert war Bornholm ein Zentrum der industriellen Keramikherstellung. Gebrauchs-, Dekorations- und Kunstgegenstände wurden in mehreren örtlichen Fabriken hergestellt, die mittlerweile alle die industrielle Fertigung eingestellt haben, und machten die Insel Bornholm als Fabrikationsort in Europa bekannt.

Bornholmer Keramik, hergestellt aus heimischem Ton, war weit über Dänemark hinaus ein Begriff für qualitativ hochwertige Steingutware.  Bedeutung hatten hier neben Hjorth etwa die Fabriken Michael Andersen, Søholm und Joghus, alle ebenfalls in Rønne ansässig. Über die Jahre hatte dabei aber wohl das von Lauritz Hjorth gegründete Unternehmen handwerklich und künstlerisch den besten Ruf.

Nach seiner Ausbildung begann der Firmengründer Lauritz Hjorth 1859 zunächst noch in einem sehr bescheidenen Rahmen mit der Produktion keramischer Gebrauchsgegenstände in einer Werkstatt im elterlichen Haus, bis er 1862 das Gebäude in der Krystalgade mit Hilfe eines Darlehens der lokalen Sparkasse erwarb.

Der bald sehr erfolgreiche Betrieb wuchs schnell und erweiterte seine Produktion um Dekorations- und Kunstgegenstände sowie auch hochwertige Souvenirs für den zunehmenden Tourismus. Abnehmer für seine Produktion, die bald auf großen internationalen Ausstellungen regelmäßig mit Medaillen ausgezeichnet wurde, fand Hjorth in Fachhändlern überall in Europa. Es wurden dem Zeitgeschmack gemäß hochwertige Repliken von antiken Stücken wie der Venus von Milo und Vasen aus dem alten Griechenland oder Heinrich Schliemanns Trojaausgrabungen hergestellt. Ebenfalls gab es Nachbildungen von Werken vergleichsweise jüngerer Kunstschaffender, unter denen Kopien nach Plastiken und Reliefs von Bertel Thorvaldsen als damals besonders geschätztem dänischem Künstler in Hjorths Angebot breiten Raum einnahmen. Auch diese Objekte waren offenbar als Dekorationsstücke in bürgerlichen Salons und Wohnzimmern beliebt.

Über Jahrzehnte stellte Hjorth aber auch hochwertige keramische Erinnerungsstücke für Bornholmbesucher her. Amphoren, Vasen und Wandteller wurden nicht nur mit antik(isierend)en Dekoren oder Blumen aufwändig bemalt, sondern auch mit Ansichten Bornholmer Sehenswürdigkeiten wie der Burgruine Hammershus oder den Grotten und Klippen des Inselnordens.

Lauritz Hjorth unterhielt Kontakt zu bedeutenden bildenden Künstlern wie Kristian Zahrtmann und Holger Drachmann. Zahrtmann fertigte für Hjorth Kopien nach antiken griechischen Vasenmalereien an. Von Drachmann, später als Dichter und Marinemaler in der Künstlerkolonie im norddänischen Skagen bekannt, wurden zeitweise etwa Vasen mit Bornholmansichten in Öl bemalt. Über Jahrzehnte wurde zudem das berühmte Taufbecken aus der Aakirke in verschiedenen Größen reproduziert; später gab es farbig bemalte Nachbildungen etwa der Bornholmer Rundkirchen. Um mit dieser Produktion die frühen Touristen zu erreichen, gab es Werbematerial in der Muttersprache der deutschen Feriengäste, einen großen Laden am Sitz der Fabrik und sogar ein Filialgeschäft in Sandvig im Norden Bornholms, damals Zentrum des Fremdenverkehrs.

Insbesondere das Taufbecken muss in großen Stückzahlen produziert und verkauft worden sein. Man findet Exemplare noch heute auf fast jedem Flohmarkt auf Bornholm. Auch die anderen Keramikfabriken stellten derartige Souvenirs her. Von Michael Andersen etwa gab es ebenfalls bemalte Wandteller mit Bornholmveduten und Reproduktionen des Taufsteins aus Aakirkeby.

Um 1900 fand der Jugendstil seinen Niederschlag in Hjorths Produktion. Die damals entstandenen Objekte aus schwarzem Ton sind in gutem Zustand heute Raritäten. Eher schon der Stilrichtung des Art déco neigte eine Serie braunen Steinguts zu, das mit Früchten, Blumen oder Vögeln dekoriert ist. Hjorth stellte diese Ware – Geschirr, Tafelausätze und Vasen – bis etwa zum II. Weltkrieg her und scheint damit sehr erfolgreich gewesen zu sein. Denn auch hiervon sieht man auf Trödelmärkten oder im Antikhandel häufig einzelne oder auch gleich mehrere Stücke.

Lauritz Hjorth starb 1912, aber der Betrieb wurde nahtlos von seinen Söhnen und später deren Nachkommen über Jahrzehnte fortgeführt. Im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts begann ein Niedergang der Keramikindustrie auf Bornholm wie andernorts, wofür verschiedenste Faktoren eine Rolle spielten. Die großen Steinzeughersteller mussten so ihren Betrieb nach und nach alle einstellen.

1993 verkaufte die Familie Hjorth die Keramikfabrik in der Krystalgade in Rønne an Bornholms Museum. Seit 1995 befindet sich dort nun das „arbeitende Museum“ mit einer Ausstellung zur Geschichte des Unternehmens, Platz für Sonderausstellungen zum Thema Bornholmer Keramik und den Fertigungsräumen, in denen bis heute – wenn auch in reduziertem Umfang – Keramik produziert wird.

Hier kann man nicht nur zu bestimmten Zeiten bei der Herstellung zuschauen, sondern es gibt in der Hochsaison auch Workshops, wo selber Hand angelegt werden kann.

Die recht hochpreisigen Stücke aus heutiger Produktion kann man im Laden in der Krystalgade aber auch in den Museumsshops von Bornholms Museum oder Bornholms Kunstmuseum erwerben.

Souvenirs im engeren Sinne wie etwa die Replik des Taufbeckens aus der Aakirke gibt es allerdings in der aktuellen Kollektion nicht mehr. Die edle Keramik im modernen Design spricht vielleicht nicht jeden an, hat es aber schon als Geschirr auf die Tische von Kopenhagener Nobelrestaurants geschafft. Wer die alten Stücke bevorzugt, kann diese in der Dauerausstellung in „Hjorths Fabrik“ besichtigen oder wird auf Flohmärkten und in Antikläden fündig werden. Ein Besuch in der Krystalgade, nur wenige Schritte vom geschäftigen Zentrum von Rønne entfernt, lohnt sich aber allemal.

Ihr findet Hjorths Fabrik in der Krystalgade 5, 3700 Rønne. In der Saison (Anfang April bis Mitte Oktober) ist das Museum Montag – Samstag von 10.00 – 17.00 Uhr geöffnet. Die Werkstätten sind an den Öffnungstagen bis 16.00 Uhr offen. Sonn- und Feiertage ist das Museum geschlossen.

Der Eintritt kostet 90 DKK und ist für Kinder unter 18 Jahren frei. Es gibt auch die Möglichkeit, für 100 DKK eine Eintrittskarte für alle Abteilungen des Bornholmer Museums zu erwerben, die gilt dann eine Woche lang.

Zur (englischsprachigen) Internetseite von Hjorths Fabrik kommt ihr hier.